Selbstmitgefühl …?
Jetzt überlegst du dir vielleicht: Selbstmitgefühl – was ist das schon wieder?
Nun, in gewisser Weise das Gegenteil von Selbstkritik. Und dass zu viel Selbstkritik in Form von Energie raubenden inneren Monologen dich nicht unbedingt weiterbringt, ist dir sicher schon einmal aufgefallen.
Deshalb möchte ich dir in diesem Artikel das so wichtige Thema Selbstmitgefühl näher bringen. Dir zeigen, warum Mitgefühl und Freundschaft mit dir selbst so viel zu einem schöneren und leichteren Leben beitragen können.
Und natürlich werde ich eine Möglichkeit mit dir teilen, wie du mehr davon entwickeln kannst. (Eine andere Möglichkeit, die zumindest ein Stück weit ebenfalls dazu beitragen kann, ist die Achtsamkeitsmeditiation.)
Im dritten Teil des heutigen Beitrags stelle ich dir eine Schreibübung vor, die dich dabei unterstützt, mitfühlender mit dir umzugehen. Dadurch erhältst du die Chance, deine Beziehung zu dir selbst auf eine neue und gesündere Ebene zu stellen.
Dass Selbstmitgefühl positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unterschiedliche Lebensbereiche hat, wurde in aktuellen Studien vielfach nachgewiesen. Dazu gehören beispielsweise Schutz vor Depression oder bessere Bewältigung von Scheidung und Trennung.
Eine Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes von 2016 hält die Kultivierung von mehr Selbstmitgefühl aus mehreren Gründen für erstrebenswert.
Wie das Blatt schreibt, dokumentieren umfangreiche Studiendaten einen Zusammenhang zwischen größerem Selbstmitgefühl und seelischem Wohlbefinden. Weitere positive Effekte werden hinsichtlich abnehmender Angst, Depression und abnehmenden pathologischen Stressreaktionen gesehen.
Außerdem können, so das Blatt für Ärzte weiter, Personen mit viel Selbstmitgefühl besser eine gesunde Lebensweise und zufriedenstellende Beziehungen aufrechterhalten. Wenn das nicht vielversprechend anmutet …
Doch was ist mit Selbstmitgefühl überhaupt gemeint? Und warum ist das wichtig?
Beim Selbstmitgefühl, das ich von der Sache her für ein im Bewusstsein vieler Menschen stark unterrepräsentiertes Thema halte, geht es vor allem um eine stabile und freundschaftliche Beziehung zu uns selbst.
Es ist also nichts wirklich Kompliziertes, sondern eigentlich müsste es leicht sein. Es geht schlicht und ergreifend um eine Beziehung, die nicht von unserer Leistung abhängt, sondern die viel fundamentaler und tiefgreifender ist.
Wie einen guten Freund dürfen bzw. sollten wir uns nicht nur dann mögen, wertschätzen und unterstützen, wenn wir gerade erfolgreich sind. Uns nicht nur dann gut behandeln, wenn uns unsere Vorhaben gelingen.
Du glaubst, das sei doch selbstverständlich? Nein, das ist es vielfach leider nicht.
Prüfe es mal bei dir selbst. Wie denkst du zum Beispiel über dich, wenn dir ein wichtiges Kundengespräch nicht so gut gelingt? Wenn du eine Ablehnung bekommst? Dich jemand nicht so besonders gerne mag? Oder wie gehst du mit äußeren Merkmalen oder auch anderen Eigenschaften von dir um, die dir unvorteilhaft erscheinen?
Hmmm …?
Könnte es sein, dass du dann mit dir haderst und nicht eben freundlich mit dir sprichst? Also, was mich betrifft: Ich kenne das.
Doch für nachhaltige mentale Stärke und für ein möglichst stabiles Selbstbewusstsein ist es zentral, dass wir wohlwollend und verständnisvoll mit uns sind.
Dass wir sozusagen in allen Lebenslagen zu uns stehen. Uns nicht für unsere Schwächen verurteilen oder dafür, dass unser gestriges Tagewerk nicht so berauschend war.
Denn abgesehen davon, dass es absolut wenig zielführend ist, sich zusätzlich noch selbst niederzumachen und in einen Abwärtsstrudel zu geraten, sind wir mehr als das, was wir leisten.
Und wer profitiert mehr davon, möchte ich dich an dieser Stelle fragen, wenn wir uns das vergegenwärtigen, als wir selbst?
Erfolgreich sein bzw. Fortschritte machen zu wollen ist gut und gesund – doch darf davon nicht unser Selbstwert abhängen
Das heißt nicht, dass es uns nicht darum gehen darf, nach unseren eigenen Kriterien erfolgreich zu sein mit dem, was wir tun und wer wir sind. Vielmehr liegt es ja auch in unserer menschlichen Natur, dass wir nach mehr streben, auf Fortschritt aus sind. Auf der anderen Seite sollte unser Erfolgsstreben – wobei auch immer (es gibt hier sicher erstrebenswertere Gebiete und weniger Sinnvolles) … – nicht dazu führen, dass wir immer und überall perfekt sein wollen und keine Schwäche an uns dulden.
Deshalb möchte ich dir ans Herz legen: Für unser Wohlbefinden und für unseren nachhaltigen Lebenserfolg ist es extrem wichtig, dass wir uns auch dann mögen, wenn wir einmal scheitern oder uns einmal nicht so verhalten haben, wie wir es gerne getan hätten.
Unser tief empfundener Selbstwert darf nicht von diesen Dingen abhängen. Auch wenn sie uns verständlicherweise viel bedeuten. Denn wenn unser Selbstwertgefühl so tickt, arbeiten wir gegen uns selbst.
Für unseren Lebenserfolg und unser Glück ist es also bei allem Streben nach guten oder sogar herausragenden Leistungen essenziell, dass wir unsere Schwächen oder auch nur vermeintlichen Schwächen akzeptieren.
Manche von ihnen können wir so überdies sogar wirksamer angehen und manche sind eben ein Teil von uns, der nicht oder kaum veränderbar ist. Am besten ist hier, das einfach anzunehmen und nicht damit zu hadern.
Hören wir also so schnell wie möglich damit auf, wertvolle Energie mit vergeblichen Kämpfen zu verlieren und uns selbst und unsere tieferen Ziele völlig unnötigerweise zu sabotieren.
Wie bekommst du mehr Selbstmitgefühl? Eine Möglichkeit – schreib einen Brief an dich selbst!
Die folgende Grundlage für einen Brief an dich selbst wurde von der amerikanischen Psychologin und Professorin Kristin Neff entwickelt und von mir leicht verändert. Eine kleine zeitliche Investition von etwa 15 Minuten, die sich zutiefst für dich lohnen kann.
Fokussiere dich auf eine konkrete Schwäche, die dich an dir stört und auf die damit verbundenen Gefühle.
- Überlege dir: Für welche Aspekte an dir selbst schämst du dich manchmal? Wegen welcher Eigenschaft fühlst dich unsicher oder hast du den Eindruck, wegen dieser Eigenschaft einfach nicht gut genug zu sein?
- Notiere dir das. Am besten mit Stift und Papier. Wenn du das nicht möchtest, mit einem Schreibprogramm.
- Schreib auch auf, wie du dich aufgrund der Sache aus Punkt 1 fühlst. Wenn für dich mehrere Gefühle damit verbunden sind, schreibe alle auf. Sei dabei ehrlich mit dir. Niemand außer dir liest diesen Brief, wenn du ihn nicht gerade offen liegen lässt.
Ganz wichtig: Während du diesen Brief schreibst, fühle und drücke Akzeptanz und Verständnis für die Sache aus, die du an dir nicht magst.
3 Zusatztipps für mehr Mitgefühl mit dir selbst:
- Achte auf eine wohlwollende Perspektive.
Nimm die Perspektive ein, die du gegenüber einem Menschen einnehmen würdest, den du bedingungslos liebst und den du ohne Gegenleistung akzeptierst. Vergegenwärtige dir deine Gefühle und Gedanken gegenüber diesem Menschen und konzentriere dich dann ganz auf dich selbst.
- Denk daran: Niemand ist ohne Schwäche. Das verbindet dich mit allen.
Jeder oder nahezu jeder mag irgendetwas an sich nicht. Niemand ist perfekt und ohne Fehler. Und das ist einfach menschlich.
- Überlege dir:
Was brauchst du, um deine Schwäche besser akzeptieren zu können? Was würde es dir leichter machen? Wie wirst du jetzt und in Zukunft mit ihr umgehen, damit es dir besser mit ihr geht?
Wenn du fertig bist, leg den Brief weg und schau ihn dir nach ein paar Tagen an. Alternativ erst dann, wenn du dich über die im Brief zur Sprache gebrachte Sache wieder einmal ärgerst. Oder wenn du darüber frustriert oder traurig bist.
Übrigens: Was dir möglicherweise dein Gefühl ohnehin schon sagt, belegen jetzt auch wissenschaftliche Studien. Deine Freundschaft mit dir selbst und Mitgefühl für dich selbst stärkst du auch, indem du Mitgefühl und Unterstützung für andere aufbringst.
Bild: patrykdzido
Aktualisiert am 26. August, 2024 von Manuela
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