„Das Gute im Schlechten sehen?! – Niemals!“
Es gibt Momente im Leben, da würden wir am liebsten einfach nur schreien, davonlaufen oder in Lethargie versinken. Etwas Gutes im Schlechten zu sehen liegt uns dann viel ferner als der Mond.
Zum Beispiel, wenn uns aus heiterem Himmel gekündigt wird oder wenn unser Partner uns eröffnet, dass er eine Neue hat. Oder auch, wenn ein Kollege üble Gerüchte über uns verbreitet und ihm von fast allen geglaubt wird.
Die Situation gelassen annehmen und konstruktive Handlungsoptionen entwickeln? Pah! Daran ist erstmal nicht zu denken.
Lieb gemeinte Weisheiten wie “Sieh doch auch mal das Gute im Schlechten”, “Alles hat auch eine gute Seite“ oder “Wer weiß, wozu das gut ist“, lösen dann eher Gereiztheit aus, als dass sie wirklich überzeugen.
Auch ein nur dezenter Hinweis darauf, dass dem Schlechten vielleicht doch auch etwas Gutes abgerungen werden könnte, wird nicht selten als zusätzlicher Affront auf die gebeutelte Seele erlebt. Und das, obwohl wir wissen, dass es Familie und Freunde gut mit uns meinen, wenn sie auf mögliche positive Aspekte des Geschehenen aufmerksam machen. Oder uns einfach nur trösten wollen.
Warum können wir manchmal absolut nicht das Gute im Schlechten sehen?
Der Schreck und die tatsächlichen oder vielleicht auch nur vermeintlichen Konsequenzen, die wir einer Kündigung oder dem Verlassenwerden zuschreiben, halten uns so gefangen, dass wir positive Gesichtspunkte für ausgeschlossen halten. Für unsere aktuelle Wahrnehmung gibt es einfach nichts Gutes im Schlechten. Nie und nimmer wollen wir uns weismachen lassen, dass sich etwas Gutes in unserer Misere verbergen könnte. Eine kreative und längerfristige Perspektive der Dinge ist erstmal außer Sichtweite.
Entsprechende Appelle von außen nehmen wir so nicht selten als zusätzliche Belastung wahr. Sie passen einfach nicht zu unseren aktuellen Gefühlen und sind daher nicht stimmig für uns. Ermutigungen anderer, das Gute im Schlechten zu sehen, widersprechen dann schnell unserem momentanen Empfinden.
Mit einer Metapher des Neurobiologen und Autors populärwissenschaftlicher Bücher Gerald Hüther gesprochen: Unser Hirn fährt in so einer Ausnahmesituation wie ein Fahrstuhl nach unten. Die Aussicht wird enger, das Sichtfeld begrenzter. Im Keller angekommen, sehen wir fast nichts mehr. Und schon gleich dreimal nicht, was an unserer beschissenen Lage bitteschön auch noch gut sein soll.
Aber – und jetzt kommts – wir müssen gar nicht bis ganz nach unten fahren. Wir können vorher aussteigen. Auf Stopp drücken, den Fahrstuhl verlassen.
Und zwar, indem wir unserem seelischen Immunsystem rechtzeitig eine Ruhepause gönnen.
Indem wir uns so früh wie möglich gezielt emotionale Entlastung und Entspannung suchen.
Indem wir dafür sorgen, dass wir Abstand gewinnen. Räumlich, zeitlich und vor allem innerlich.
3 Impulse, mit denen Sie Ihre innere Souveränität zurückerobern
Mit den folgenden drei Impulsen lässt sich hier sehr viel erreichen. Mit ihnen erhalten Sie die Chance, Stück für Stück Gelassenheit und persönliche Souveränität zurückzugewinnen. Was wiederum eine zentrale Voraussetzung dafür ist, dass Sie nach und nach emotional und mental freier werden und wieder flexibler handeln können.
Und so, wer weiß, auch eines schönen Tages, etwas Gutes im Schlechten erkennen.
Vielleicht in Form eines Entwicklungsimpulses für etwas Neues. Nicht als Muss, sondern als Möglichkeit.
Impuls 1: Einen geschützten Ort aufsuchen
Gehen Sie an einen geschützten Ort, an dem Sie nichts müssen. An dem Sie einfach sein dürfen. Vielleicht haben Sie einen ganz bestimmten Ort, an dem Sie sich ganz besonders wohl und bei sich fühlen. Das kann eine bestimmte Bank im nahegelegenen Park sein, die Hängematte zu Hause oder auch die Gesellschaft eines empathischen Freundes.
Im Übrigen können Sie sich diesen geschützten Ort auch vorstellen oder sich einen eigenen solchen Raum eröffnen, indem Sie meditieren. Dann ist Ihr geschützter Ort ein innerer Raum, der für Sie immer erreichbar ist! Auch wenn Sie noch keine oder nur wenig Meditationserfahrung haben, könnte die Achtsamkeitsmeditation eine gute Möglichkeit für Sie sein.
Weitere Möglichkeiten eines inneren Schutzraums für Menschen, die sich mit Achtsamkeitsmeditation oder einer anderen genuinen Form der Meditation nicht wirklich anfreunden können, gibt es durchaus: Zum Beispiel eine Imaginationsübung zur Entwicklung eines ganz persönlichen und konkreten inneren Orts. Einen solchen können Sie sich selbst erschaffen und sich dann, wann immer Sie wollen, an ihn zurückziehen und in sicherer Atmosphäre neue Energie auftanken.
Impuls 2: Nicht um jeden Preis das Gute im Schlechten sehen, sondern gegenwärtige Nicht-Akzeptanz akzeptieren
Richtig gelesen? Ja! Denn erst, wenn Sie akzeptieren, dass Sie das Geschehene (noch) nicht akzeptieren wollen und können, werden Sie zunehmend mehr Akzeptanz erreichen.
Ich weiß, das klingt paradox. Und doch ist es möglich und extrem wirkungsvoll.
Denn im Umkehrschluss gilt: Wenn Sie aktiv mit starker emotionaler Beteiligung gegen nun mal bestehende Gefühle ankämpfen, können Sie innerlich kaum zur Ruhe kommen. Gelassenheit bleibt dann nichts als ein leeres Wort.
Vielleicht haben Sie etwas Vergleichbares schon einmal erlebt? Wenn ja, versuchen Sie nachzuspüren, wie es Ihnen damit ergangen ist und was Sie daraus für Ihre aktuelle Situation mitnehmen können.
Impuls 3: Das Geschehene in Portionen aufteilen
Oft ist es sinnvoll, das Geschehene nicht als großen unverdaulichen Brocken schlucken zu wollen, sondern in verträglichere Portionen aufzuteilen. Im Portionen, von denen wir das Gefühl haben, dass wir mit ihnen klarkommen können.
Das erscheint uns nicht nur als überschaubarer, was schon im Hinblick auf unser Bedürfnis nach Kontrolle ein großer Vorteil ist. Sondern es ist so auch in Bezug auf die Sache selbst viel leichter zu bewältigen.
So könnten Sie überlegen, mit welchem Teil Sie bis zu einem von Ihnen festzusetzenden Termin weiter kommen und wofür Sie sich mehr Zeit lassen wollen.
Vertrauen Sie in Bezug auf das, was Sie sich wann zumuten wollen und können, ruhig Ihrer Intuition. Wenn Sie darüber hinaus Unterstützung benötigen, beweisen Sie ein gutes Selbstmanagement und echte Souveränität, indem Sie sich solche aktiv organisieren.
Aktualisiert am 8. Mai, 2023 von Manuela
2 Antworten
Manuela Sekler
Lieber Jörg,
das freut mich sehr! Wobei schon darauf zu achten ist, dass die “Schutthaufen” nicht zu groß werden und der Schutzraum nicht dazu da ist, auf etwaige längerfristige Veränderungen zu verzichten. Die Impulse beziehen sich ja auf die erste Zeit nach einem unglücklichen Ereignis.
Herzlichst Manuela
Joerg
Danke für die 3 hilfreichen Impulse. Immer wieder kämpfe ich darum, im Schutthaufen, der auf mir liegt, noch ein Licht zu sehen. Besonders der erste Impuls ist so simpel und hilft mir doch so schnell und zuverlässig. Ja, es lohnt sich, öfter einmal neue Verhaltensmuster auszuprobieren. Kleine Änderungen können doch großartige Wirkungen haben. Ich bleibe dran. Jörg