Lebenssinn und Sinnerfüllung – das mag im ersten Moment etwas abgehoben klingen. Deshalb ein Zugang, der auch vom Sprachduktus her unmittelbarer in unserem Alltag verankert ist: Etwas mache Sinn – das höre ich seit ein paar Jahren ziemlich oft. Obwohl es seinen Reiz hätte, werde ich jetzt trotzdem keinen Essay darüber schreiben, warum das so sein könnte…
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Was dich hier erwartet
Stattdessen möchte ich, du ahnst es vielleicht schon, ein paar Gedanken zum Thema Lebenssinn und Sinnerfüllung mit dir teilen, die für dein ganz persönliches Leben relevant sein dürften. Daran anschließend habe ich sieben Fragen vorbereitet. Sie unterstützen dich dabei, deine Arbeit und deinen Alltag nachhaltig motivierender und zielorientierter zu gestalten. Und damit letztlich auch, glücklicher und erfüllter zu leben.
Falls du den Beitrag lieber hören möchtest:
Was heißt eigentlich “Sinn”?
Sinn ist ja ein ziemlich umfänglicher Begriff mit unterschiedlichen Verwendungsweisen und Größenordnungen. Zunächst skizziere ich deshalb ganz kurz ein paar unterschiedliche Verwendungsformen von Sinn. Im Anschluss daran werde ich die Dimension der Sinnerfüllung näher beleuchten. Sie ist das eigentliche Thema, um das es in diesem Beitrag geht. Denn die Frage nach dem Lebenssinn oder vielmehr die Frage nach dem, was deinem Leben Sinn verleiht, hat das Potenzial, dir nachhaltig Zufriedenheit und Erfüllung zu schenken.
Legen wir los: Schlicht und ergreifend „macht“ es zum Beispiel “Sinn”,
- eine Jacke anzuziehen, wenn ich friere,
- eine Stulle zu essen, wenn ich Hunger habe.
- Mich vorzubereiten, wenn ein schwieriges Gespräch vor mir liegt.
Und so weiter.
Ein anderes Verständnis von Sinn kommt ins Spiel, wenn wir uns damit auseinandersetzen, wie wir sinnvoll leben. Uns zum Beispiel überlegen, was uns wirklich wichtig ist, wohin wir unser Leben steuern möchten, welche großen Entscheidungen dafür anstehen.
Vielleicht beschäftigt uns auch, was unser tiefstes persönliches oder überpersönliches Anliegen im Leben ist. Etwa unsere Lebensträume, unsere zentralste Ambition für uns selbst und andere oder unsere Berufung. Und wie sich all das immer mehr verwirklichen lässt.
Universeller Lebenssinn – individueller Lebenssinn
Bei der Frage nach einem sinnvollen beziehungsweise einem sinnerfüllten Leben gibt es die feine Unterscheidung
- zwischen einer Sinndimension, die so etwas wie eine universelle Gültigkeit für alle beansprucht,
- und einer Sinndimension, die von der Perspektive eines bestimmten Menschen abhängig ist.
In dieser zweiten Dimension, um die es mir im Folgenden vor allem geht, steht Sinnerfüllung damit auch nicht für etwas Fixes, Unumstößliches. Steht nicht für etwas, das für alle und überall jederzeit gültig ist. Was ja auch ziemlich schwierig festzumachen und zu erkennen wäre. Sondern wir haben es hier mit einer subjektiven und individuellen Ebene von Sinn zu tun. Was keineswegs ausschließt, dass sie im Hinblick auf unsere persönliche Absicht eine über uns hinausgehende Dimension hat. Hinzu kommt: Ihr Inhalt kann sich im Laufe der Zeit verändern.
Der individuelle Lebenssinn kann sich wandeln
Auf deinen individuellen Lebenssinn bezogen heißt das möglicherweise, dass dein Lebenstraum, deine Berufung, sofern eine solche ein Thema für dich ist, oder deine tiefsten Anliegen nicht das ganze Leben gleich bleiben müssen. Sie selbst oder auch ihre Verwirklichungsformen können sich wandeln.
So kann es zum Beispiel sein, dass es dir in jungen Jahren das Wichtigste war, einen Lebenspartner zu finden und eine Familie zu gründen. Und später findest du aus unterschiedlichen Gründen eine (weitere) wichtige Sinndimension für dein Leben darin, dich beruflich in einer für dich stimmigen Weise zu verwirklichen oder noch andere Themen in deiner Partnerschaft zu verwirklichen.
Dieser Wandel findet nach meiner Erfahrung ein wenig häufiger in weiblichen Biografien statt, wenngleich sie durchaus nicht allein am Start sind. Je nach individueller Vorgeschichte, Vorlieben und Lebenssituation in mehr oder weniger ausgeprägter Intensität. Oder auch gar nicht. Vielleicht hast du ein ganz anderes Thema? Lass es mich gerne wissen – z.B. über deinen Kommentar, den du am Ende des Beitrags teilen kannst.
Sinnfragen und Sinnerfüllung schützen vor dem Hamsterrad
Wandeln kann sich im Laufe des Lebens und Arbeitens auch dein Verständnis von Erfolg.
So gibt es zum Beispiel Menschen, die sich mit ihrem ganzen Streben darauf konzentrieren, auf der Karriereleiter möglichst weit aufzusteigen. Das sind nicht selten nach äußeren Maßstäben erfolgreiche Manager und Führungskräfte, die ihr Verständnis von Erfolg vor allem an Geld und Status festmachen.
Zu viele geraten dann leider in ein vor allem langfristig zermürbendes Hamsterrad. In ein Hamsterrad, das angetrieben wird von Konkurrenzkampf und manchmal auch von der Lust nach immer mehr finanziellem Erfolg oder Renommee. Groß auch die Gefahr, dass kaum mehr Zeit und wirkliches Interesse für Partnerschaft und Familie bleiben und sich wechselseitige Entfremdung immer mehr verschärfen.
Nicht nur aus gesundheitlichen Gründen kommt dann der eine oder die andere an den Punkt, dass außenzentrierter Erfolg und Status nicht mehr wirklich erfüllen. Bei immer mehr nach konventionellen Kriterien durchaus sehr erfolgreichen Männern oder Frauen resultiert daraus der Wunsch, ein weitsichtigeres und längerfristig tragendes Verständnis von Erfolg zu entwickeln. Ein Verständnis von Erfolg etwa, das vorausschauend ein sinnvolleres, freudvolleres und gesünderes Arbeiten und Leben ermöglicht.
Ein Leben, das mehr inneren und auch äußeren Frieden einschließt – zum Beispiel im Rahmen der Partnerschaft, der Familie und nicht zuletzt auch im beruflichen Kontext.
Lebenssinn und Sinnerfüllung befördern gute Selbstführung
Egal, wo du gerade stehst. Auch aus der Sicht einer guten Selbstführung lohnt es sich für jeden von uns zu fragen, wofür er eigentlich arbeitet. Neben der Bezahlung. Und immer mal wieder aus dem alltäglichen Hamsterrad auszusteigen und sich zu überlegen, was in seinem Leben wirklich zählt. Wo die individuellen Schwerpunkte liegen beziehungsweise wohin du sie legen willst.
Nicht nur in Zeiten außeralltäglicher Herausforderungen und Krisen. Viel zu viele Menschen sind erst dann an Sinnfragen interessiert, wenn sie bereits in belastenden Grenzsituationen stecken, z.B. in Form von Krankheit oder Trennung. Dann besteht die Gefahr, dass der Umgang mit der Frage nach dem Sinn destruktiv gefärbt wird und das Potenzial dieser Frage nicht wirklich ausgeschöpft werden kann.
Dabei können wir unsere Lebensqualität und unser Energielevel um so viel erhöhen, wenn wir uns nicht erst in Krisenzeiten mit unserem Lebenssinn und dem befassen, was uns persönlich Orientierung gibt und uns wirklich erfüllt. Wenn wir uns frühzeitig mit dem beschäftigen, was unserem Leben und unserer Arbeit Sinn gibt. Und uns nicht zuletzt damit auseinandersetzen, womit wir unserem Leben Sinn verleihen wollen.
Glücklicherweise stehen zur Zeit immer mehr und dabei vor allem auch junge Menschen diesen so wichtigen Fragen offen, engagiert und zu Recht auch fordernd gegenüber. Weshalb Sinnfragen nicht zuletzt im Berufsleben immer mehr an Einfluss gewinnen. Zumindest in manchen Bereichen.
Die Dimension Sinnerfüllung bei der Arbeit ist eine zentrale Ressource für langfristig gesunde und motivierte Mitarbeiter. Eine Ressource, deren Potenzial noch bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Tiefergreifende Wandlungen im Bewusstsein einer größeren Zahl von Menschen und insbesondere auch von Entscheidungsträgern haben hier noch reichlich Luft nach oben.
Sinnerfüllung ist mehr als Flow
Psychologischen Erkenntnissen zufolge kann Sinnerfüllung unterschiedlich intensiv erlebt werden. Unter anderem als Begeisterung, Interesse oder der Bereitschaft auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten.
Entscheidend für Erfüllung, Glück und Sinnerleben ist die positive Hinwendung gegenüber einer Person oder einer Sache.
Wenn nun ein Mensch intensiv sinnerfüllt ist, dann fühlt er starke Zufriedenheit und Freude, die in einem „Flow-Erlebnis“ gipfeln können.
Wichtig ist jedoch zu verstehen, dass Flow ein Zustand ist, der auch bei einer idealen Arbeit und idealen Arbeitsbedingungen nicht immer erreicht wird. Daher ersparen wir uns Enttäuschungen, wenn wir auf diesen Zustand nicht schon im Vorhinein warten. Viel erfolgsversprechender ist es, uns einfach auf unser Tun zu konzentrieren.
Sinnerfüllung umschreibt ohnehin Umfassenderes als Flow-Zustände, so wertvoll diese auch sind. Sinnerfüllung und das Leben der eigenen Berufung zielt aus meiner Sicht vor allem auf ein tiefes Gefühl der Gewissheit. Auf die Gewissheit, das im Hinblick auf die eigene Person und Gesamtsituation Gute und Passende zu tun. Oder zumindest auf den Wunsch, sich selbst und seine Arbeit als bedeutungsvoll (auch für andere) zu erleben.
7 Fragen für einen sinnerfüllten Alltag, die dich deinem persönlichen Lebenssinn näher bringen
Hast du Lust bekommen auf mehr Sinnerfüllung in Beruf und Alltag, ohne dass du dafür notwendigerweise dein ganzes äußeres Leben umkrempeln musst? Die folgenden Fragen unterstützen dich dabei. Am meisten profitierst du, wenn du sie schriftlich beantwortest.
- Wo lebe ich in Übereinstimmung mit dem, was ich gerne tue und dem, was mir wichtig ist?
- Wie kann ich diese Bereiche ausdehnen?
- Welche Einstellung habe ich zu meiner Arbeit?
- Welche Lebensziele habe ich mir gesetzt, und was tue ich heute dafür?
- Mache ich damit direkt oder indirekt die Welt ein bisschen besser?
- Wie gehe ich mit den Menschen um, mit denen ich zu tun habe? Und wie gehe ich mit mir selbst um?
- Fühle ich mich (zumindest ab und zu) mit meiner Arbeit oder in meinem Alltag in ein erstrebenswertes Ganzes eingebunden?
Bild: dima_goroziya
Aktualisiert am 13. Dezember, 2024 von Manuela
2 Antworten
Patrick Jobst
Ein lesenswerter und höchst kompetent verfasster Artikel aus dem November 2019.
Leider leidet er auch unter den Eindrücken der aktuellen Zeit.
Vor ein paar Monaten noch konnten die meisten von uns es sich leisten, zu hinterfragen, ob man das eigene (Arbeits)leben sinnstiftend verbringt. Je mehr man dem zustimmen konnte, desto produktiver und zufriedener war man wohl auch unterwegs.
Aktuell können sich viele Menschen die Frage nach dem Sinn leider nicht mehr leisten.
Es geht für Risikogruppen ums Überleben. Für viele Erwerbstätige um Existenzen.
Die klassische Bedürfnispyramide klopft an und erklärt die Sinnfrage vorerst zum Luxus?
Seien wir zuversichtlich. Der Planet und unsere Spezies hat schon viele noch dunklere Zeiten gesehen. Und überwunden.
Freuen wir uns auf die Zeiten, in denen wir uns wieder die Fragen nach dem Sinn stellen können.
Beste Grüße und bleiben Sie gesund
Patrick Jobst
Manuela
Lieber Herr Jobst,
vielen Dank für Ihren Kommentar und die guten Wünsche!
Ich stimme Ihnen voll darin zu, dass die Corona-Krise für einige von uns gesundheitlich oder wirtschaftlich existenzbedrohend ist und sich daher akut ganz andere Fragen stellen als die nach Sinn und Sinnerfüllung.
Doch ich glaube auch hier lohnt es sich – neben einem möglichst klaren Kopf und schnellem Krisenmanagement (von innen und von außen) – einmal innezuhalten, mit einem gewissen Abstand auf die eigene Situation zu schauen und zu überlegen, welchen Sinn man ihr für sein Leben geben will, welche persönlichen Konsequenzen daraus ziehen oder Ideen generieren. Neben der tatkräftigen Bewältigung akuter Probleme und der hoffentlich ebenso tatkräftigen Unterstützung von außen.
Aus meiner Sicht könnte dies für uns neben etwaiger innovativer Ideen vor allem inneren Frieden mit der Situation und eine etwas weiter gefasste geistige und emotionale Perspektive befördern.
Daher denke ich, dass wir – gerade auch jetzt – offen für Fragen nach dem Sinn sein dürfen (nicht müssen) und manch einer vielleicht auf diesem Weg eine große mentale oder seelische Bereicherung erfahren kann. Vielleicht für den einen oder die andere hilfreich: Mein Beitrag zum kreativen Umgang mit Krisen, trotz und mit aller Schwierigkeiten.
Mit den besten Wünschen
Manuela Sekler