Keine Sorge, es geht mir keineswegs darum, dass du dich nicht mehr in deiner Tiefe auf Beziehungen einlässt. Genauso wenig zielt das Thema emotionale Abhängigkeit überwinden darauf, dass du dich emotional völlig unabhängig von anderen Menschen machst.
Letzteres ist so auch gar nicht möglich. Schon deshalb nicht, weil du als Mensch ein soziales und ein auf Resonanz angewiesenes Wesen bist.
Hinzukommt, dass viele von uns eine wichtige Sinndimension ihres Lebens darin sehen, mit bestimmten Menschen ganz besonders intensiv in Beziehung zu sein. Das setzt voraus, dass wir willens und fähig sind, uns diesen Menschen gegenüber in einer tiefgehenden Weise emotional zu öffnen.
Falls du den Beitrag lieber hörst:
Vollkommen emotional unabhängig?
Daraus ergibt sich schon mehr oder weniger aus der Logik der Sache, dass wir insbesondere in unserer Liebesbeziehung, aber auch in anderen nahen Beziehungen, emotional nicht vollkommen unabhängig sind. Eine gewisse emotionale Abhängigkeit darf hier als ein natürlicher Bestandteil unserer Liebe gelten. Wechselseitigkeit ist hier das wichtige Stichwort.
Du siehst also: Vollkommene emotionale Unabhängigkeit ist eher unrealistisch und auch nicht wünschenswert. Zumindest dann nicht, wenn wir uns einem anderen Menschen gegenüber wirklich emotional öffnen und uns mit ihm in einer besonders tiefgehenden Weise verbunden fühlen wollen. Einschließlich der damit einhergehenden emotionalen Intimität und Verwundbarkeit.
Wenn im Folgenden also von emotionaler Abhängigkeit die Rede ist, bezieht sich das auf ungesunde emotionale Abhängigkeit.
Sie ist unter anderem dadurch charakterisiert, dass sie einseitig ist. Und der emotional Abhängige sein ganzes Wohl und Wehe von einem anderen Menschen abhängig macht. Etwaige eigene Schwachpunkte durch die Idealisierung des anderen zu kompensieren versucht und unangenehme eigene Entwicklungsschritte vermeidet. Eine solche Abhängigkeit gilt es zu überwinden. Sie führt zwangsläufig zu Problemen und verhindert in den allermeisten Fällen eine langfristig glückliche Beziehung.
Emotionale Abhängigkeit kann prinzipiell innerhalb jeder Beziehung zu einem oder mehreren anderen Menschen vorkommen. Ich lege den Schwerpunkt im Folgenden auf das Thema Abhängigkeit in der Partnerschaft, weil das Thema viele besonders stark beschäftigt und dort das Thema emotionale Abhängigkeit auch am häufigsten vorzukommen scheint. Und natürlich auch, weil Liebe und Beziehung zu den Schwerpunkten meiner Arbeit gehört.
Wenn ich den Begriff Partner verwende, sind natürlich alle Geschlechter angesprochen.
Was erwartet dich in diesem Beitrag?
Wie ist es bei dir? Hast du den Eindruck, möglicherweise in einer deiner Beziehungen oder insbesondere in deiner Partnerschaft in ungesunder Weise emotional abhängig zu sein oder zumindest eine ungesunde Tendenz dazu zu haben?
Du erfährst in diesem Beitrag,
- was emotionale Abhängigkeit ist und wie sie sich erkennen lässt,
- welche negativen Konsequenzen es für dich und für deine Beziehung(en) hat, wenn du emotional von deinem Partner abhängig bist,
- und vor allem, was du selbst tun kannst, um ungesunde emotionale Abhängigkeit zu überwinden.
Damit du voller Freude und ohne Angst dein (Beziehungs-)Leben genießen kannst und viel stressbefreiter lebst!
In diesem Zusammenhang geht es nicht zuletzt auch darum, wie du es in einer guten Weise kultivierst, mit dir allein zu sein. Denn diese Fähigkeit ist unglaublich wertvoll. Sofern du den Eindruck hast, dafür Unterstützung zu benötigen, zögere nicht, dir eine solche zu organisieren.
Wichtig ist für unseren Zusammenhang zu verstehen, dass die grundsätzliche Fähigkeit des guten Alleinseinkönnens nicht die Unfähigkeit beinhaltet, eine aufrichtige und tiefgehende Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen zu leben. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall.
Legen wir also los!
Ungesunde emotionale Abhängigkeit und wie sie dir schadet
Ganz klar, wir alle freuen uns über die Anerkennung und Bestätigung durch andere. Und ja, ein Stück weit sind wir mehr oder weniger alle auf positives Feedback angewiesen. Auch um unser Selbstvertrauen zu stärken. Um positive Referenzerfahrungen im Außen zu machen.
Die Grenze zu ungesunder emotionaler Abhängigkeit überschreitest du dann, wenn du in übertriebener Weise die Bestätigung und Anerkennung anderer und insbesondere die deines Partners brauchst. Oder auch, wenn du grundlos eifersüchtig wirst und die Freiheit deines Partners in unzumutbarer Weise einschränkst.
Die Grenze ist auch überschritten, wenn du nicht mehr überlegst, hat der andere überhaupt recht mit dem, was er über mich sagt. Wenn du nicht mehr in Frage stellst, wie sich dein Partner dir gegenüber benimmt, obwohl sich andere schon längst wundern. Dies könnte vor allem bei einem Partner mit stark narzisstischen Zügen passieren, der deine emotionale Abhängigkeit gut auszunutzen versteht. Oder du dich bereitwillig den Ansichten und Vorhaben deines Partners unterwirfst. Und dabei deine eigenen Werte und Ziele, die nicht konform mit den seinen sind, unter den Tisch fallen lässt oder sie ohnehin gar nicht mehr so richtig kennst.
Abhängiger Selbstwert
Dein Selbstbild und Selbstwert hängen dann fast vollständig davon ab, wie du bei deinem Partner ankommst. Deshalb richtest du dein ganzes Streben danach, seinen Wünschen zu entsprechen.
Persönlichkeitsaspekte, Wünsche und Bedürfnisse, von denen du vermutest, dass sie ihm nicht an dir gefallen, lässt du in der Versenkung verschwinden.
In gewisser Weise lebst du so ein Schein-Selbst.
Vielleicht leidest du auch schon dein ganzes Leben oder weite Teile davon unter einem mangelnden Selbstwertgefühl und dies manifestiert sich jetzt in der ungesunden emotionalen Abhängigkeit, die es so schnell wie möglich zu überwinden gilt.
Fragen, mit denen du merkst, ob du emotional abhängig bist
Was glaubst du: Hast du den Eindruck, dass du emotional abhängig von deinem Partner sein könntest?
Um das herauszufinden, stell dir zum Beispiel diese Fragen:
- Kreisen meine Gedanken und Gefühle beständig um meinen Partner?
- Sage ich, was ich denke, oder das, von dem ich vermute, dass es der andere hören will?
- Wenn ich nicht genau weiß, was mein Partner gerade macht, hindert mich das daran, mich auf mein eigenes Tun zu konzentrieren?
- Welche Hobbys und Interessen, die mein Partner nicht teilt, pflege ich?
- Wie zufrieden bin ich mit meinem Leben außerhalb der Partnerschaft und wieviel Energie geb ich da rein?
- Habe ich ohne nachvollziehbaren Grund den fast unwiderstehlichen Drang zu kontrollieren, wo sich mein Partner aufhält, wenn er nicht gerade mit mir zusammen ist oder bin ich in übertriebenem Maß eifersüchtig?
Warum du emotionale Abhängigkeit überwinden solltest
Erkennst du dich in einigen Fragen wieder? Also beantwortest du beispielsweise die Fragen 1,3 und 6 mit ja und bei der 4. Frage fällt dir nicht viel ein? Dann kannst du dir vielleicht ausmalen, dass daraus über kurz oder lang massive Probleme erwachsen.
Probleme entstehen für die Beziehung, vor allem für dich selbst und in folgenden Bereichen:
- Für die Beziehung, die durch deine Verstellungsshow in gewisser Weise zur Farce gerät und so ganz sicher nicht auf Augenhöhe stattfinden kann. Ganz davon abgesehen, dass du durch deine emotionale Abhängigkeit Druck auf deinen Partner ausübst, der ihn früher oder später an eurer Beziehung zweifeln lässt oder sie ihm gar verunmöglicht. Oder im Falle einer toxischen Beziehung, dass das Pendel immer mehr zu deinen Ungunsten ausschlägt bzw. die Toxität nicht aufhören kann!
- Vor allem für dich selbst. Für deine Möglichkeiten, statt beständiger Angst und Sorge, die Liebe deines Partners zu verlieren, innerlich frei und erfüllt zu leben. Für deine mentale Gesundheit, Beziehungskompetenz und für deine Lebenschancen in den unterschiedlichsten Bereichen!
- Emotionale Abhängigkeit hat zahlreiche negative Konsequenzen auf deinen mentalen Zustand, deine Beziehungen und auf deine emotionale Gesundheit. Sie verhindert Selbstbestimmung, inneren Frieden und nachhaltiges Glück. Sowohl außerhalb als auch innerhalb der Beziehung zu deinem Partner!
- Durch den ganzen psychischen Stress können u.a. auch körperliche Beschwerden und depressive Verstimmungen erwachsen.
Wie schön und befreiend wäre es doch dagegen, wenn du deine ungesunde emotionale Abhängigkeit überwinden würdest? Um wieviel besser würde es dir gehen?
Doch bevor wir uns das näher ansehen, kurz zur Frage, wie ungesunde emotionale Abhängigkeit überhaupt entsteht.
Fünf mögliche Ursachen für emotionale Abhängigkeit
Mit absoluter Sicherheit können wir nie wissen, warum ein bestimmter Mensch in einer Beziehung emotional abhängig geworden ist. Manchmal kommen auch unterschiedliche Faktoren zusammen.
Gleichwohl dürfen wir davon ausgehen, dass es sich bei den folgenden fünf Punkten um wichtige mögliche Ursachen handelt, auch wenn die zweite eher selten vorkommt und meistens therapiebedürftig ist.
- Verlust- und Trennungserfahrungen, die innere Narben hinterlassen haben.
- Abhängige (dependente) Persönlichkeitsstörung.
- Erlernte emotionale Abhängigkeit durch das Vorbild einer frühen Bezugsperson.
- Schwaches Selbstwertgefühl – ein ganz großes Thema mit vielen Facetten auch bei emotionaler Abhängigkeit.
- Ein in negativer Weise manipulierender oder stark bindungsvermeidender oder narzisstischer Partner.
Die Alternative zu emotionaler Abhängigkeit: Nimm dein Glück selbst in die Hand!
Wie bereits angedeutet: Vollkommene emotionale Unabhängigkeit von einem Menschen, dem wir uns in exklusiver Weise emotional öffnen, halte ich für eher unrealistisch oder zumindest für ein seeehr seltenes Phänomen.
Dennoch gilt, dass es für dein nachhaltiges Glück und Wohlbefinden außerordentlich wichtig ist, beides nicht von einer anderen Person abhängig zu machen. Zumindest nicht in der Weise, dass du das Gefühl hast, ohne diese Person nicht leben zu können oder ohne diese Person ins bodenlose und dauerhafte Unglück zu stürzen.
Liebe und Abhängigkeit sind nicht dasselbe
Leider tragen nicht wenige Hollywoodschmonzetten und Texte von Popsongs das ihre dazu bei, uns glauben zu lassen, dass derartige Gefühle gerade ein Zeichen von besonders starker Liebe seien. Doch das sind sie nicht.
Hier werden Liebe und Abhängigkeit verwechselt oder (noch häufiger) es wird nur das aufregende Gefühl der Verliebtheit und Attraktion besungen, was ja auch nicht dasselbe wie wirkliche Liebe, wechselseitige Fürsorge und Verbundenheit ist, sondern meistens nur die erste Phase der Verliebtheit. Das wirklich Blöde daran: Solche Filme und Lieder gehen nicht nur an der Realität gesunder und tragfähiger Liebesbeziehungen vorbei, sondern können richtiggehend schädlich sein. Nämlich dann, wenn du sie zu ernst nimmst oder dich gar damit identifizierst.
Ganz besonders gilt das, wenn du ohnehin schon in ungesunder Weise emotional abhängig bist. Und dich im Zusammenhang damit bereits von deinen anderen Lebensbereichen und deinem eigenen Selbst abgeschnitten hast.
Emotionale Abhängigkeit überwinden: Eine gute Beziehung zu dir selbst ist das A und O!
Es ist auch ganz wichtig zu verstehen: Eine Beziehung ist dann umso ehrlicher und erfüllender, je mehr du in einem guten Kontakt mit dir selbst bist. Und je zufriedenstellender dir dein Leben auch außerhalb der Beziehung zu deinem Partner erscheint.
Vielleicht hast du auch schon einmal die Erfahrung gemacht, wie nervig und unleidlich ein Partner sein kann, der nichts mit sich selbst anzufangen weiß. Oder ein Partner, der ständig unzufrieden ist und nur an allem rumjammert. Fast nur anderen die Schuld an seiner Misere gibt und seinen eigenen Anteil geflissentlich übersieht. Oder der zumindest diesen Anschein erweckt und keine Verantwortung für sein Leben übernimmt.
Sorge du deshalb gut für dich und nimm das Steuer für dein Leben fest in deine Hand. Erkunde mit Nachdruck deine eigenen Werte und Ziele und vor allem: Delegiere dein Glück nicht auf deinen Partner!
Vielleicht denkst du dir jetzt: Ja das leuchtet mir irgendwie schon ein. Aber wie komme ich dahin?
Wie du emotionale Abhängigkeit überwindest – 5 Schritte
1. Mach dir deine emotionale Abhängigkeit bewusst!
Wenn du emotional abhängig bist, hältst du dein Leben nicht mehr in deiner Hand, sondern hast es gewissermaßen in die Hände deines Partners gelegt. Oder härter formuliert: Du lässt dich von deinem Partner fremdbestimmen und richtest dein Tun nach ihm aus. Bist dabei voller Angst und Panik, dass er dich eines schönen Tages verlassen könnte.
Gibst ihm gewissermaßen die Verantwortung über dein Leben ab.
Wenn du deine Abhängigkeit überwinden willst, ist es notwendig, dass du dir dieser unangenehmen Wahrheit völlig bewusst bist, auch wenn es weh tut oder du dich dafür schämst. Nur so kannst du dir die Macht über dein Leben, über dein Verhalten, über deine Gedanken und Gefühle zurückerobern.
Hilfreich ist hier auch, wenn du dir den Schmerz in all seinen Ausmaßen und Facetten vergegenwärtigst, den du ertragen musst, wenn alles beim Alten bleibt. Den du tagein tagaus spüren wirst, wenn du deine emotionale Abhängigkeit nicht überwindest.
2. Triff die glasklare Entscheidung, ungesunde emotionale Abhängigkeit zu überwinden!
Vielleicht ist es dir in einem anderen Zusammenhang schon einmal aufgefallen: Willst du ein für dich bedeutungsvolles Ziel erreichen, hast du fast immer dann den besten Erfolg, wenn du dich glasklar und eindeutig dafür entschieden hast, dass du die Sache angehst. Und alles in deiner Macht Stehende dafür tust.
Es hilft wenig, irgendwelche Bedingungen an das zu erreichende Ziel zu stellen. Ungefähr so: Falls ich mich morgen gut fühle, ergreife ich Maßnahme XY für mehr emotionale Unabhängigkeit. Oder: Wenn meine Freundin Corinna findet, dass ich recht unselbstständig geworden bin, werde ich mir eventuell überlegen, ob ich auch ohne Partner auf die Vernissage gehe …
Was glaubst du, was bei einer solchen halbherzigen Herangehensweise herauskommt? Ich bin mir da fast sicher: Vor allem Vergeudung von wertvoller Lebensenergie.
Daher, wenn es dir wirklich ernst damit ist, deine emotionale Abhängigkeit zu überwinden, triff deine glasklare Entscheidung dafür. Und verpflichte dich von nun an vor dir selbst dazu: Ich werde konkret und beständig an diesem Thema arbeiten, komme was wolle! Vielen hilft dabei, diese Verpflichtung schriftlich festzuhalten. Oder eine Person ihres Vertrauens einzuweihen. Vielleicht auch beides. Möglicherweise magst du mit der Person deines Vertrauens auch gleich vereinbaren, dass ihr deine Fortschritte besprecht?
Sofern du allerdings schon sehr lange an ungesunder emotionaler Abhängigkeit leidest oder schon Vieles versucht hast, zögere nicht, dir psychotherapeutische Unterstützung zu suchen.
3. Richte den Fokus auf dein Leben: Entwickle oder reaktiviere eigene Interessensgebiete!
- Welche Themen unabhängig von deinem Partner interessieren dich? Welche Hobbys oder Interessen hast du vor deiner Beziehung gepflegt?
- Vielleicht warst du früher in Vereinen oder Gruppen aktiv, die du wegen deiner Beziehung aufgegeben hast und denen du dich wieder anschließen willst?
- Gibt es berufliche Weiterbildungen oder solche zur Persönlichkeitsentwicklung, die dich ansprechen?
- Wo findest du Kontakt zu anderen Menschen, die deine Interessen teilen?
Wenn du gezielt deinen eigenen Werten und Interessen nachgehst und nicht mehr nur das Echo deines Partners bist, stärkt das nicht zuletzt dein Selbstbewusstsein und dein Selbstwertgefühl enorm. Und wie oben gesehen war ja gerade ein schwacher Selbstwert eine zentrale Ursache für ungesunde emotionale Abhängigkeit.
Einen schwachen Selbstwert und unser Selbstbewusstsein können wir auch dadurch stärken, indem wir zum Beispiel erkunden, was uns in unserem Leben wirklich wichtig ist und welche Ziele wir aus unserem inneren Antrieb verwirklichen wollen oder wie wir in schwierigen Situationen unsere Gefühle besser steuern können.
4. Übe dich in der Kunst, in guter Weise allein zu sein!
Die Fähigkeit, auch mit sich allein sein zu können, ist wertvoll. Vor allem gilt es sie zu erlernen, wenn du deine emotionale Abhängigkeit zu einem anderen Menschen überwinden willst. Wer in einer guten Weise mit sich allein sein kann und eine stabile Beziehung zu sich selbst hat, führt viel eher ehrliche und gesunde Beziehungen auf Augenhöhe.
Wenn du von einem bestimmten Menschen emotional abhängig bist oder ganz allgemein zu emotionaler Abhängigkeit zu anderen Menschen tendierst, fällt es dir womöglich besonders schwer, deine eigenen emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen.
Vielleicht hast du generell Probleme damit, Zeit mit dir alleine zu verbringen. Die Zeit des Alleinseins erscheint dir sinnlos verschwendet, weil du nicht weißt, was du mit dir anfangen sollst. Oder es macht dir Angst, weil du unangenehme Gedanken und Gefühle befürchtest, denen du dich nicht stellen möchtest.
Doch das muss nicht so bleiben. Alleinsein lässt sich erlernen und trainieren – möglicherweise auch mit Unterstützung von außen. Und wie bereits angedeutet: Nicht, um auf die Freuden einer Partnerschaft zu verzichten, sondern um ihrer nicht unbedingt zu bedürfen. Ein großer Unterschied!
Wie kannst du Alleinsein üben?
Eine relativ einfache Möglichkeit ist, dass du mal darüber nachdenkst, was du früher gerne allein gemacht hast und dir überlegst, ob du das auch heute wieder tun willst. Zum Beispiel lesen, spazieren gehen, schwimmen, ein Instrument spielen, schreiben, malen, schreinern usw. Alles Dinge, die du wunderbar allein machen kannst. Und die teilweise erst ihren besonderen Reiz entwickeln, wenn wir dabei alleine sind.
Vielleicht fallen dir auch ganz andere Dinge ein, auf die du Lust hast. Wenn du schon lange Zeit nicht mehr alleine mit dir warst, ist gut möglich, dass es zu Beginn ungewohnt für dich ist. Und es dir etwas schwer fällt, dich auf die jeweilige Tätigkeit zu konzentrieren. Habe dann Geduld mit dir. Die Konzentration wird dir zunehmend leichter fallen und mehr Freude bereiten. Wichtig ist, dass du eine Gewohnheit daraus machst. Also Regelmäßigkeit pflegst, auch wenn du mal keine allzu große Lust verspürst.
Wenn du darin geübt bist und dich seelisch stabil fühlst, kannst du zusätzlich eine weitere Strategie ausprobieren. Nämlich dir täglich ganz bewusst, vielleicht anfangs 10 Minuten, Zeiten des Alleinseins ohne eine bestimmte aktive Betätigung zu nehmen. Zeiten, in denen du etwa meditierst oder deiner inneren Stimme lauschst.
Wieviel Alleinsein? Auch eine Frage des Naturells
Welche Form und Intensität du auch wählst: Das Allein-Sein-Können ist eine bedeutende Zutat zu innerer Freiheit und Gemütsruhe. Für die einen mehr und für die anderen etwas weniger. Dies ist nebenbei bemerkt auch eine Frage davon, wie introvertiert oder extravertiert du bist. Extravertierte Menschen tanken im Kontakt mit anderen Menschen Energie.
Doch egal, ob extra- oder introvertiert: In jedem Fall solltest du es gut aushalten können, eine Zeit lang ohne einen bestimmten Menschen zu sein. Außer vielleicht, du bist ganz frisch verliebt…
5. Plane konkrete Schritte und komme ins Tun!
Arbeite aktiv daran, (wieder) selbstständiger zu werden. Tu jeden Tag etwas ganz Konkretes dafür, dass du emotional unbeschwerter wirst. Dass du dich (wieder) mehr und mehr auf dein eigenes Leben fokussierst. Dich mehr und mehr auf deine eigenen Werte und Ziele konzentrierst. Und dich immer weniger darum scherst, was dein Partner gerade tut. Mit wem er sich trifft, was er über dich denken könnte usw. usw.
Mach jeden Tag mindestens einen ganz konkreten Schritt in die richtige Richtung. Wenn du dir mehr zutraust, auch mehrere. Überfordere dich jedoch nicht. Lieber weniger und kleinere Schritte und die dafür kontinuierlich.
Was könnten solche Schritte sein?
- Dich mit einem Buch oder mit powervoller Musik ablenken, wenn du dir Sorgen darüber machst, was dein Partner gerade tut,
- dich mit einer Freundin zu einer bestimmten Unternehmung treffen,
- dir für den nächsten Tag etwas Schönes für dich allein vornehmen,
- Kurse und Weiterbildungen zu deinen persönlichen und beruflichen Interessen recherchieren,
- dich für einen Kurs oder eine Studienreise anmelden.
Belohne dich mit etwas Schönem, nachdem du einen Schritt in dein neues freieres Leben geschafft hast. Vielleicht mit einem schönen Spaziergang außer der Reihe? Einem Anruf bei einer lieben Person, deren Stimme dir guttut? Vielleicht fällt dir auch etwas ganz anderes ein.
Wenn du magst, unterstütze ich dich im Rahmen von Coaching und Beratung auch gerne bei deinen Schritten auf deinem eigenen Weg.
Erfolgs- und Dankbarkeitstagebuch
Eine weitere Möglichkeit, deine Erfolge zu würdigen und zu verstärken, ist ein Erfolgs- und Dankbarkeitstagebuch. Trage hier jeden Abend deine Erfolge ein. Auch die noch so kleinen. Das wird dich in deinem eigenen Weg bestärken und dir die Konzentration darauf erleichtern.
Notiere außerdem, wofür du dankbar bist. Zumindest dann, wenn es dir mental oder emotional nicht völlig gegen den Strich geht. Denn Dankbarkeit kann Studien zufolge ein wahrer Glücks- und Erfolgsturbo sein. Warum? Weil es z.B. den Blick auf das lenkt, was in unserem Leben schon gut ist und ich bin fast siciher, dass es auch in deinem Leben gute Dinge gibt.
Bitte denk daran: Es ist überaus hilfreich für deinen erfolgreichen Start in ein emotional leichteres Leben, jeden Abend darauf zu fokussieren, was am jeweiligen Tag gut war. Das muss gar nicht immer ein offensichtlicher Erfolg sein, sondern kann auch in einer wichtigen Lernerfahrung liegen.
Und wenn mal dein abendliches Resümee so gar nichts Positives herzugeben scheint, hadere nicht damit. Richte stattdessen dein Augenmerk darauf, was du am nächsten Tag besser machst.
Überwundene emotionale Abhängigkeit ebnet den Weg zu Beziehungen auf Augenhöhe
Wenn du eine gute Beziehung zu dir selbst hast, wirst du auch eine Liebesbeziehung nachhaltig glücklicher führen können. Und mit viel mehr Leichtigkeit. Dann wird nicht mehr Angst dein Tun leiten. Sondern du ermöglichst dir und deinem Partner Liebe auf Augenhöhe und gleichberechtigte Wertschätzung. Denn wenn du dich selbst als wert-voll erachtest und deinen Wert selbst-bewusst ausstrahlst, wird ihn auch ein Partner viel eher erkennen.
Und du erkennst deinerseits viel eher, wenn du in einer toxischen Beziehung bist oder dir (d)ein Partner nicht gut tut. Wenn er beispielsweise ausgeprägte narzisstische Züge auslebt und dir mit seinem egozentrischen Verhalten schadet.
Bilder: Free-Photos, StockSnap
Aktualisiert am 9. Dezember, 2024 von Manuela
12 Antworten
Darius
Hallo Manuela,
Ich weiß nicht wie ich mit dem Thema umgehen soll. Habe eine Frau kennengelernt die wie ich verheiratet ist und ein 10 Jähriges Kind hat. Die Beziehung dauert 3 Jahre und ich möchte endlich mit Ihr zusammenleben. Wir wohnen und arbeiten 200 km voneinander entfernt.
Wir möchten beide gerne zusammenziehen, aber die neue Freundin verlangt von mir mich zu trennen, was ich auch machen möchte, mit allen dazugehörigen Konsequenzen. Ich zögere damit bis jetzt weil ich auch von Ihr eine Entscheidung erwarte und dass auch Sie Ihrem Mann von unserer Beziehung berichtet, wie ich es meiner Frau bereits gemacht habe. Sie würft mir vor hörig meiner Frau zu sein, was ich verneine. Möchte einfach dass Sie sich zu mir bekennt. Ist das Unterwerfung, Hörigkeit oder ähnliches. Möchte Sie um ein Rat bitten
Manuela
Hallo Darius,
es tut mir leid, dass Sie in dieser schwierigen Situation sind und verstehe sehr gut, dass Sie die Vorwürfe Ihrer Freundin belasten. Obwohl ich hier mit den eingeschränkten Informationen, die ich über Sie und die anderen Beteiligten habe, Ihre Situation insgesamt nicht wirklich einschätzen kann, würde ich grundsätzlich zu Ihrem Anliegen bezüglich der Einweihung der bisherigen Lebenspartner meinen, gleiches Recht für alle! Daneben mag es bedenkenswert sein, ob ein Zusammenleben auf Probe in Betracht kommen könnte, bevor für alle Beteiligten weitreichende Entscheidungen getroffen werden.
Charlotte
Liebe Manuela, ein sehr schöner Artikel zu diesem schwierigen Thema. Leider steckt meine Tochter in einer emotional abhängigen Beziehung fest, hat mittlerweile mit psychsomatischen Problemen zu kämpfen und auch kaum mehr eigene Freunde oder Hobbies. Allerdings kommen wir nicht an sie heran und können auch über dieses Thema mit ihr nicht sprechen ohne den Verdacht zu wecken, dass wir etwas gegen ihren Lebenspartner hätten. Dabei geht es uns ausschließlich um ihr Wohlbefinden. Wir fühlen uns als Eltern so hilflos. Hast du einen Tipp?
Herzliche Grüße,
Charlotte
Manuela
Liebe Charlotte,
ich kann gut nachvollziehen, dass ihr euch in dieser schwierigen Situation so hilflos fühlt. Leider ist hier guter Rat nicht einfach, zumal mir die näheren Umstände nicht bekannt sind.
Was du, dein Mann oder ihr beide (je nachdem, wie der beste Zugang zu eurer Tochter möglich ist) in jedem Fall tun könnt: Mit ihr über eure Wahrnehmung im Hinblick auf ihre Beschwerden und ihren Lebenswandel (eigene Freunde und Hobbys) reden und dass ihr euch diesbezüglich Sorgen macht, weil ihr eure Tocher liebt. Je nach Gesprächsverlauf könntet ihr auch vorsichtig das Thema emotionale Abhängigkeit in einer Partnerschaft ansprechen: Symptome, Auswirkungen etc. (ggf. eurer Tochter auch Literatur o.Ä. zukommen lassen) und dass sie jederzeit mit euch über alles reden kann und ihr für sie da seid, egal was kommt.
Ich hoffe, das hilft ein bisschen weiter.
Mit den besten Wünschen
Manuela
Birgit
Vielen Dank Manuela für die wertvollen Tipps. Die Ex – Frau meines Freundes will einen Urlaub mit meinem Partner machen und mein Partner gibt mir nicht das Versprechen es auf jeden Fall nicht zu machen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich das nicht möchte, habe Konsequenzen angedroht, falls er es macht, spüre aber emotionalen Schmerz dabei, was soll ich tun?
Manuela
Liebe Birgit,
ich verstehe sehr gut, dass das eine sehr unschöne Situation für dich ist und dass du nicht willst, dass dein Freund mit sener Ex-Frau Urlaub macht! Ganz allgemein würde ich sagen, dass Konsequenzen sehr bedacht angedroht werden sollten und sie, wenn es drauf ankommt, auch eingehalten werden sollten…
Bitte hab Verständnis dafür, dass ich über die Kommentarfunktion auf deine Frage keine ausgewogene Antwort bzw. Beratung geben kann. Auch weil mir wichtige weitere Informationen fehlen – u.a. darüber, welche Qualität eure Beziehung ansonsten so hat, wie vertrauenswürdig dein Freund ist usw.
Wenn du Interesse an einer Beratung hast, schreib mir bitte über mein Kontaktformular. In jedem Fall die besten Wünsche für dich!
Aurelin
Danke Manuela 🙂
was Du sagst und wie Du es sagst hilft mir gerade dahin zu sehen, wo es weh tut, und zwar mit Hoffnung statt Selbsthass.
Manuela
Lieber Aurelin,
freut mich, dass dir der Beitrag ein wenig helfen konnte.
Mit den besten Wünschen für dich!
Manuela
Julia
Sehr schöner Beitrag. Vielen Dank!
Manuela
Sehr gerne.
Dario
Ja, jeden Abend noch einmal erinnern: Wofür kann ich heute dankbar sein, das tut gut. – Vielen Dank, Manuela, für den anregenden Artikel. – Eines jedoch geht mir nach der Lektüre deiner Zeilen durch den Kopf: Wie finde ich die Balance: Einerseits möchte ich mich meiner Partnerin gegenüber nicht verstellen, also auch Dinge ansprechen, die mich bewegen, sie aber vielleicht nicht interessieren oder sogar zu Konflikten führen. Und andererseits (und vielleicht steckt da schon die Lösung drin) darf und soll ich auch eigene Bereiche für mich haben. – Du empfiehlst es ja: Finde und pflege Zeiten, in denen du gerne mit dir alleine bist.
Manuela
Freut mich, dass dir der Artikel gefällt.
Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dich gegenüber deiner Partnerin nicht zu verstellen und alles ansprechen zu können, was dich bewegt. Auch und gerade, wenn das zu Konflikten oder einem Streitgespräch führen könnte. Eine offene Auseinandersetzung kann durchaus einmal überfällig und, wenn richtig geführt, überaus heilsam sein.
Generell finde ich es für eine wertschätzende Beziehung wichtig, dass sich die Partner schon prinzipiell dafür interessieren, was den anderen bewegt, auch wenn sie das Thema als solches nicht so spannend finden. Natürlich ist es darüber hinaus gut, noch weitere Menschen zur Vertiefung dieser Themen oder Interessen zu haben. Für sich selbst – und auch zur Entlastung der Beziehung. Kein Partner der Welt kann alle Bedürfnisse und Lebensbereiche vollständig abdecken.