Was echte Souveränität nicht ist
Es gibt Menschen, die sich dann für souverän halten, wenn sie in jeder Situation cool bleiben und keine wahren Gefühle zeigen. Wenn sie keinerlei Schwäche zugeben und es schaffen, so zu wirken, als ob sie Herr über jede Lage wären und ihren persönlichen Fokus stets darauf legen, gut dazustehen, bella figura zu machen. Sie sind nicht echt souverän.
Tun sie sich einen Gefallen damit? Ich glaube nicht. Denn auf die lange Sicht geht es darum, sich wirklich souverän und einverstanden zu fühlen, mit dem, was man tut. Was nicht heißt, dass es nicht Spielraum für Entwicklung gibt. Und wer übt, kann noch nicht Meister sein. Doch das ist ein anderes Thema.
Warum ist echte Souveränität wichtiger als die reine Wirkung? Aus mehreren Gründen. Einer davon ist schlicht der, dass souverän zu wirken, ohne sich so zu fühlen bzw. echt souverän zu sein, ziemlich anstrengend und auf Dauer kaum möglich ist. Ein anderer ist die mangelnde Integrität des Betreffenden, der wiederum nicht ohne nachteilige Wirkung auf alle Beteiligten bleibt – vor allem auf ihn selbst.
3 Kennzeichen echter Souveränität
Doch was verstehe ich hier unter echter Souveränität? Ich versuche die Essenz in drei Kennzeichen zusammenzufassen.
- Echte und nachhaltige Souveränität ist nur mit einem Mindestmaß an Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber den eigenen Gefühlen und in angemessener Authentizität gegenüber anderen möglich, da es sonst keine tragfähige Beziehung gibt – weder zu sich selbst noch im Privaten, zu Geschäftspartnern, Zuhörern oder Kunden.
- Souveränität beinhaltet, in möglichst freier Übereinstimmung mit seinen Werten und Gefühlen zu leben, ohne sich von letzteren überfluten zu lassen. Jedoch auch ohne sie in ungesunder Weise zu verdrängen. Höchstens mal kurzfristig. Werte und persönliche Unabhängigkeit werden gewahrt und nicht gleich aufgegeben, wenn es schwierig wird.
- Ein wichtiges Kennzeichen für echte Souveränität besteht nicht zuletzt darin, anderen Menschen den gleichen Respekt zu erweisen wie sich selbst. Denn echte Souveränität impliziert gerade nicht, sich anderen gegenüber überlegen zu fühlen. Das haben echt souveräne Menschen gar nicht nötig. So sieht es auch der bekannte Businessphilosoph Stéphane Etrillard.
All das spiegelt sich idealerweise in der Kommunikation wider – ob im Privaten, Beruflichen oder Politisch-Gesellschaftlichen.
Natürlich gibt es in diesen Bereichen unterschiedliche Grade der Kommunikation, Authentizität und Offenheit. Und doch gibt es zentrale Gemeinsamkeiten und eine bestimmte grundsätzliche Sicht auf das Thema, die ich sehr wichtig finde. Und darauf hebt dieser Beitrag vor allem ab – nicht auf spezifische Details und kontextbezogene Unterscheidungen, die ja durchaus ihre Berechtigung haben.
Was folgt daraus für eine echt souveräne Kommunikation?
Ein souveräner Mensch legt seinen Fokus nicht darauf, einfach nur selbstbewusst zu wirken und selbstsicher aufzutreten, sondern er ist überzeugt von dem, was er zu sagen hat. Und vor allem bringt er echte Empathie für sein Gegenüber auf.
Dies will ich keinesfalls als Widerspruch dazu verstanden wissen, dass eine Beratung oder ein geeignetes Selbstsicherheitstraining beispielsweise für eher schüchterne oder eventuell auch für einige introvertierte Menschen nicht trotzdem sinnvoll sein können. Oder ganz allgemein vor einer besonderen Herausforderung wie etwa einem schwierigen Gespräch.
Echt souverän zu kommunizieren heißt vor allem, authentisch und glaubwürdig zu sein und nicht nur auf eine bestimmte Wirkung bedacht. Den Fokus auf bestimmte Wirkung zu richten, ohne zu dem dahinterliegenden Inhalt zu stehen bzw. gar keinen bestimmten Inhalt zu vertreten, wird früher oder später nicht nur vom Publikum oder Gesprächspartner durchschaut, sondern führt, wie bereits oben angedeutet, zu massiven Integritätsproblemen. Auch sie werden über kurz oder lang – da bin ich sicher – in der einen oder anderen Weise auf den Redner zurückfallen. Genauso wird auf ihn zurückfallen, wenn er nicht willens ist, seinen Gesprächspartnern oder Zuhörern die ihnen gebührende Wertschätzung zu schenken. Ganz besonders in unserer Zeit abnehmender Hierarchien.
Zu guter Letzt:
Für echte Souveränität sprechen keinesfalls eine zur Schau gestellte (Pseudo-)Überlegenheit und Dominanz, sondern viel mehr die Gelassenheit eines Menschen, der neben seinen Zielen seine Stärken und Schwächen kennt und die Ziele anderer in angemessener Weise berücksichtigt. Der mit sich im Reinen ist und der weiß, dass Kommunikation keine one-man-show ist.
Bild: geralt
Aktualisiert am 5. Januar, 2023 von Manuela
2 Antworten
Manuela Sekler
Lieber Jörg,
echte Souveränität, die maßvolle Authentizität einschließt, setzt aus meiner Sicht vor allem voraus, dass man sich für sie entscheidet, bewusst so leben möchte und das dann bei den sich dafür bietenden Gelegenheiten übt.
Wenn du konkret vor einer Herausforderung stehst, bei der du souverän und möglichst authentisch sein willst, könntest du dich fragen, wann es dir zuletzt gelungen ist, so zu sein bzw. zu handeln und dich in diese Situation möglichst detailliert zurückversetzen. Das gibt dir Impulse und Mut für die aktuelle Herausforderung und stärkt den Glauben an deine Selbstwirksamkeit.
Herzlichst
Manuela
Jörg
Ich stimme vollkommen zu.
Und wenn es gelingt, fühlt es sich bestimmt wunderbar an, so wie eine Umarmung eines echten Freundes.
Doch woher nehme ich die Kraft und den Mut, auf diese Art authentisch zu sein?